Auskunftsanspruch des durch Samenspende erzeugten Kindes
Der Schutz der Anonymität von Samenspendern vs. des Bedürfnisses nach Kenntnis der Abstammung des durch Samenspende erzeugten Kindes.
Was hat mehr Gewicht? Das Urteil des BGH vom 23.01.19 wägt die Interessen von Samenspendern und Spenderkindern im besonderen Einzelfall gegeneinander ab.
Die Klägerin ist im Dezember 1990 zur Welt gekommen, nachdem sich Ihre Mutter zuvor erfolgreich einer künstlichen Befruchtung unterzogen hatte. Die Klinik sicherte damals dem Samenspender Anonymität zu und die Mutter der Klägerin, sowie ihr damaliger Ehemann erklärten mit notarieller Urkunde, dass das aus der Behandlung hervorgehende Kind in jeder Beziehung und mit allen sich ergebenden rechtlichen Folgen das gemeinsame, aus der Ehe entstandene Kind sein solle.
23 Jahre später erfuhr die Klägerin von den Umständen Ihrer Zeugung und wollte nun von der Klinik Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters haben. Die Eltern der Klägerin befreiten hierfür die Klinik von Ihrer Schweigepflicht.
Die Gerichte, die zuvor über diese Sache entschieden hatten, lehnten einen Auskunftsanspruch der Klägerin ab. Zwar habe die Klägerin ein konkretes Bedürfnis an einer Auskunftserteilung durch das Klinikum und auch keine anderweitige Möglichkeit an eine solche zu gelangen, dennoch sei eine Auskunftserteilung dem Beklagten nicht zumutbar, da die Interessen des Samenspenders, der sich auf die zugesicherte Einhaltung der Schweigepflicht verlassen hat, überwögen.
Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts Dresden aufgehoben und der Klage stattgegeben. In seinem Urteil bejaht er eine Sonderverbindung zwischen Klägerin und Beklagter, die die Grundlage für einen aus Treu und Glauben folgenden Auskunftsanspruch der Klägerin über die Identität des Samenspenders bildet.
Zudem sei die Kenntnis der Abstammung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt, weshalb die Klägerin vorliegend nach Rechtsprechung des BGH das Recht habe, von dem Beklagten, der hier alleinig fähig ist die Ungewissheit der Klägerin zu beseitigen, Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters zu erlangen.
Die Kenntnis der eigenen Abstammung und der damit einhergehende Bezug zu seinen Vorfahren könne im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsseleinstellung für das eigene Selbstverständnis und die individuelle Stellung in der Gemeinschaft einnehmen. Die Unmöglichkeit die eigene Abstammung zu klären könne den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern.
Der BGH erläuterte weiter, dass der Verzicht der Eltern der Klägerin auf Auskunftsansprüche zur Identität des Samenspenders gegenüber die Klägerin nicht wirksam sei, da der Auskunftsanspruch des Kindes unabhängig zu dem der Eltern bestünde.
Entscheidend an dem Urteil des BGH ist, dass in solchen Fällen jeweils im konkreten Einzelfall mittels einer umfassenden Abwägung aller relevanten Belange die Rechte des Samenspenders auf Anonymität abgewogen werden müssen gegen das Interesse des Kindes auf Auskunft.
Im Rahmen dieser Grundrechtsabwägung hat jeder Beteiligte die zu seinem Vorteil sprechenden Belange darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Hier treffen der im verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankerte Auskunftsanspruch des Kindes und das ebenfalls dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfallende Recht auf informationelle Selbstbestimmung, hier der vertraglich zugesicherte Anspruch auf Anonymität des Samenspenders, aufeinander. Dem Schutz des Samenspenders, dem Anonymität zugesichert wurde, wird wohl im Normalfall weniger Gewicht zukommen, als dem durch Samenspende erzeugten Kind mit dem Bedürfnis nach Kenntnis der eigenen Abstammung. Der BGH argumentiert, dass sich der Samenspender bewusst entschlossen hat menschliches Leben zu schaffen und hierfür eine soziale und ethische Verantwortung trägt, während die Kenntnis der Abstammung für das gezeugte Kind für die Entfaltung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann und andernfalls erhebliche Belastungen und Unsicherheiten des Kindes möglich sind. Der Bezug zu den Vorfahren kann im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für das eigene Selbstverständnis und die Stellung in der Gemeinschaft einnehmen. weshalb diesem eine maßgebliche Bedeutung bei der Abwägung zugemessen wird.
Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass in vorliegendem Fall der Samenspender nicht zu besorgen hat rechtliche oder wirtschaftliche Verantwortung für die Klägerin übernehmen zu müssen. Für alle Anfechtungsberechtigten ist in diesem Einzelfall die zweijährige Anfechtungsfrist bereits abgelaufen.
Der Fall wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das nun unter Berücksichtigung der umfangreichen Argumentation des BGH erneut über den Sachverhalt zu entscheiden hat. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein.